Der Karpfenköder aus der Ölpresse!
In den letzten zwanzig Jahren wurde kaum eine Angelart so geprägt wie das „Moderne Karpfenangeln“. Laufende Verbesserungen an Gerät, der Methode sowie die Steigerung der Fängigkeit der Köder beschäftigten die Karpfenfreaks als auch die Angelindustrie. Für viele von uns ist das Boilie schon mehr als ein Jahrzehnt das Maß aller Dinge. Unumstritten ist die Kugel ein Top-Köder. Doch auch Alternativköder können oft sehr fängig sein. Walter Mayer und Michael Komuczki beschäftigten sich gezielt mit dem Fang von Großkarpfen bzw. deren Selektion durch einen nicht alltäglichen Köder.
Ködergedanke
Der Fang von Großkarpfen erfordert von uns die Beurteilung von vielen Imponderabilien. Dazu gehören unter anderem Bestandsdichte, Gewässerstruktur, lokalisieren der Fische, Futterstrategien, Montage und Gerätezusammenstellung als auch Köder. In der heutigen Zeit tritt der Hakenköder jedoch mehr denn je in den Vordergrund des Geschehens. In wahren Hexenküchen wird ständig von Karpfenanglern und Hersteller an Boilies experimentiert und getüftelt. Dies nicht zu unerheblichen Kosten.
Alternativköder geraten beim Karpfenangeln aber immer mehr in Vergessenheit. Obwohl gerade an Gewässern an welchen massiver Angeldruck besteht, ein anderer Köder als ein Boilie fängiger sein kann. Der Gedanke daran, dass der im Jahr 1981 vom französischen Rentner Marcel Rouviere auf Mais gefangene Spiegelkarpfen mit einem Gewicht von genau 37 kg fast zwanzig Jahre als Weltrekord hielt, stimmte uns mehr als nachdenklich. Deshalb lies uns auch die Fiktion nicht mehr los, eine wenn möglich fast gleichwertige Köderalternative zum Boilie zu finden. Diese Idee beschäftigte uns umso mehr, da in Österreich an manchen Top-Gewässern das Füttern und Angeln mit Boilies verboten ist.
Von der Idee zum fängigen Alternativköder
Die von uns zu findende Boiliealternative musste natürlich gewisse Parameter/Anforderungen erfüllen. Dazu gehörte unter anderem:
ü Der Köder sollte mit der Haarmontage zu angeln sein
ü Er sollte ähnlich dem Boilie aufgrund Konsistenz und Größe zumindest bedingt Großfische selektieren bzw. ansprechen
ü Der Köder sollte für die Fische gut verdaulich sein, eine entsprechende Lockwirkung haben und ohne Mißtrauen angenommen werden
ü Die Herstellung der Köder sollte mit minimalen Aufwand erfolgen
ü Die Lagerung der Köder sollte kein Problem darstellen und diese nicht leicht verderben
ü Das Anfüttern als auch die Köder sollten nicht sehr kosteneffektiv sein.
Wahrlich keine leichte Aufgabe die wir uns da stellten.
Nach einer längeren Phase des Nachdenkens reifte in uns ein Gedanke, welcher uns nicht mehr los lies.
In Österreich wird an vielen Gewässern mit Kürbiskernplatten angefüttert und auch Kürbis-kernmehl als ein Bestandteil in Futtermischungen beigemengt. Sehr oft werden auch Kürbiskernmehlteige als Hakenköder verwendet. Die Kürbiskernblatten (Kuchen) sind Rückstände welche beim Pressen des Kürbiskernöls in den steirischen Ölpressen anfallen. Gerade die stark verdichteten und harten Kürbiskernplatten, welche relativ günstig zu kaufen sind, erschienen uns als geeignet. In einem ersten Futtertest fütterten wir im Ufernahbereich mit größeren zerbrochenen Plattenstücken an. Ab dem fünften Futtertag wurden die Plattenstücke von den Fischen angenommen. Wir konnten auch einige sehr starke Karpfen beobachten, wie diese sehr große Plattenstücke annahmen, diese spielerisch herum schoben und sich an diesen befleißigten.
Nach diesem ersten positiven Test standen wir vor dem Problem aus den Plattenstücken Hakenköder zu produzieren. Dieses lösten wir dahingehend, dass wir mit einem variablen Holzlochschneider mit Kernbohrer aus dem Kürbiskernkuchen runde Plattenstücke herausschnitten (s. Abb.). So konnten wir tönnchenförmige Plattenstücke von 20-44 mm Durchmesser und einer Länge bis 40 mm produzieren. Bei sehr starken Platten muss man von beiden Seiten bohren um das Plattenstück freizuschneiden. Durch die 2 mm Kernbohrung blieb uns auch das mühsame Bohren mit dem Boiliebohrer erspart. Die Plattenreste welche beim Bohren entstehen können auch gleich zum Anfüttern verwendet werden. Aufgrund der Größe, wie auch der Konsistenz der von uns gewonnenen Hakenköder, waren wir davon überzeugt, die Bisse von halbstarken Karpfen hintanzuhalten.
Der Erfolg blieb nicht aus
Nach geleisteter Vorarbeit ging´s in die praktische Erprobung an ein Augewässer im Westen von Wien. Wir fütterten unseren Angelplatz mehrere Tage täglich mit Mais und ca. 3 kg zerbrochenen Plattenstücken an.
An einem lauen September Nachmittag folgte die Stunde der Wahrheit. Wir beköderten unsere Festbleimontagen mit den ausgeschnittenen Plattenstücken und legten diese aus.
Schon nach zwei Stunden Angelzeit heulte mein Bissanzeiger auf und ich konnte einen Schuppi von 14 kg sicher landen (siehe Abb.).
In weiterer Folge fingen wir in mehreren Angelsezessionen tolle Fische, Fische von 12-15 kg waren die Regel. So durfte ich auch einen 18,7 kg schweren Schuppi und einen 20,5 kg schweren Spiegler über den Kescher führen. Als Draufgabe überlistete Walter noch einen 19,5 kg schweren Schuppi. Auch im Jahr 2004 konnten wir eine Menge starker Fische mit diesem Top-Hakenköder überlisten, so auch den tollen 22Kg Spiegelkarpfen und einen 20 kg Schuppi.
Durch die großen Hakenköder konnten wir tatsächlich die Bisse von halbstarken Karpfen fast zur Gänze ausschließen. Zum Hintanhalten von Fehlbissen verwendeten wir relativ große Boiliehaken (1/0 o. 2/0) dadurch wurden diese auf ein Minimum reduzieren.
Die Köder halten je nach Größe ca. 8 - 12 Std ihre Konsistenz und lösen sich dann langsam auf. Dieser Anhalt gilt nur dann, wenn die Köder nicht extrem von kleineren Grundfischen attackiert werden. Da die Ködersubstanz mit Masse aus Kohlehydraten (Stärke u. Zucker) Eiweiß und ungesättigten Fettsäuren mit einem geringen Rohfaseranteil besteht, ist der Kürbiskernkuchen für die Fische bekömmlich, gut verdaulich und von gutem Nährwert.
Auch über eine längere Anfütterungszeit von mehr als sechs Monaten im Jahr 2004 ließen bei mehreren Angelsezessionen die Bisse nicht nach. Ein Fakt dafür, dass die Fische den Kürbiskernkuchen gut als Futter (Nahrungsergänzung) annehmen. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir vertrauen in unseren neuen Köder.
Montagetipp
Aufgrund der 2 mm Kernbohrung der Blattenstücke ist die Fixierung am Haar mit herkömmlichen Boiliestopper nicht praktikabel. Zur Fixierung dieser am Haar verwenden wir deshalb zu recht geschnittene Rexgummistücke und ziehen diesen mit dem Haar in das Plattenstück, bis dieses Bombenfest am Haar sitzt (siehe Abb.). Um den Abstand des Hakens zum Köder verstellen zu können, verwenden wir grundsätzlich ein Rig mit verstellbarem Haar. Dies hat sich jedoch nur dann bewährt, wenn die Montage mit dem Boot ausgelegt wird. Wenn die Montage geworfen werden muss, sollte ein Rig mit fixiertem Haar verwendet werden. Bei der Verwendung eines Rigs mit verstellbarem Haar, besteht beim Werfen die Gefahr, dass sich aufgrund des großen Ködergewichts und der dadurch auftretenden Kräfte auf das Haar, sich der Hakenabstand zum Köder eigendynamisch verstellt.
Schlussbemerkung
Die von uns erprobten Kürbiskernplattenköder haben sich als sehr fängig und als echte Alternativköder zum Boilie erwiesen. Die Köder und das Anfütterungsmaterial sind mit geringem Aufwand herzustellen und nicht kostenintensiv.
Die Platten und Köder können über längere Zeit in einem verschlossenen Plastikgefäß aufbewahrt werden, ohne dass diese verderben oder ranzig werden.
Es fallen auch keine Aufbewahrungskosten durch einfrieren an.
Auch werden Großfische kaum Argwohn gegen die Plattenköder hegen, da sie mit diesen noch nie in negativer Form in Berührung gekommen sind.
Zusätzliche Köderinfo
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Die Kürbiskernplatten sind Rückstände welche beim Pressen des Kürbiskernöles (österreichische/steirische Spezialität) anfallen. Die gemahlenen und gerösteten Kürbiskernteile werden mit ca. 60 Grad in die Presse eingebracht. Unter hohen Pressdruck wird das Öl aus den gerösteten Kürbiskernteilen gedrückt. Nach dem Pressvorgang bleiben als Rückstand (Presslinge) die Hochverdichteten Platten übrig, welche als Ganze oder als Mehl verwertet werden. Aus diesen Platten schneiden wir unsere Köder!
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Michael Komutczki und Walter Mayer
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